Interview mit BBH-Partner und Rechtsanwalt Stefan Wollschläger über den Rechtsbereich Litigation

Bei der BBH-Gruppe gibt es viele Expert*innen für Energie- und Infrastrukturrecht. Aber selbst in dieser Spezialisierung gibt es höchst unterschiedliche Aufgaben. Eine dieser Aufgaben ist die Vertretung vor Gericht, denn natürlich wird nicht jeder Dissens ohne Gerichtsverfahren beendet. Anwält*innen, die sich hierauf spezialisiert haben, nennt man auch Litigator und die kennen sich mit Prozessrecht und Prozessführung besonders gut aus. Einer, der viele Prozesse führt, ist BBH-Partner Rechtsanwalt Stefan Wollschläger. In dem Interview gibt er einen Einblick in die Geheimnisse guter Prozessführung.

Bei der BBH-Gruppe gibt es viele Expert*innen für Energie- und Infrastrukturrecht. Aber selbst in dieser Spezialisierung gibt es höchst unterschiedliche Aufgaben. Eine dieser Aufgaben ist die Vertretung vor Gericht, denn natürlich wird nicht jeder Dissens ohne Gerichtsverfahren beendet. Anwält*innen, die sich hierauf spezialisiert haben, nennt man auch Litigator und die kennen sich mit Prozessrecht und Prozessführung besonders gut aus. Einer, der viele Prozesse führt, ist BBH-Partner Rechtsanwalt Stefan Wollschläger. In dem Interview gibt er einen Einblick in die Geheimnisse guter Prozessführung.

Herr Wollschläger, Sie sind Experte für Wärme- und Wettbewerbsrecht – und Litigation. Was genau ist Litigation und wie lässt es sich von anderen Rechtsgebieten unterscheiden?

Unter Litigation ist die Prozessführung in Gerichtsverfahren zu verstehen. Kolleg*innen, die mit Litigation befasst sind, setzen sich im besonderen Maße mit dem Führen von Prozessen auseinander – also beispielsweise mit den Regeln, die die Prozessordnungen enthalten.

Würden Sie Litigation als Spezialisierung bezeichnen?

Ja. Gerade bei größeren Verfahren ist es von Vorteil, jemanden im Team zu haben, der sich mit dem Führen eines Prozesses auch wirklich auskennt. Bei BBH gibt es viele Expert*innen, die sich beispielsweise im Energie- oder im Infrastrukturrecht sehr gut auskennen. Das heißt aber noch lange nicht, dass diese hohe thematische Expertise in einem Prozess für das Gewinnen ausreicht. Prozesse gewinnt man nicht allein mit dem materiellen Recht, sondern eben auch mit dem Prozessrecht.

Wie sieht die tägliche Arbeit im Bereich Litigation für Sie aus? Was sind die wichtigsten Aufgaben eines Litigationanwalts?

Es geht vor allem darum, sich zielführende Strategien zu überlegen. Wie führt man einen Prozess? Wann trägt man was wie vor? Schreibe ich nochmal einen Schriftsatz, schreibe ich keinen? Man bereitet sich auf die mündliche Verhandlung vor, hat seine Argumente zur Hand.

Man kann das gar nicht so verallgemeinern, denn jeder Gerichtsprozess ist ja anders. Gerade in mündlichen Verhandlungen agiere ich durchaus unterschiedlich – je nachdem, in welcher Rechtssituation ich stehe und aber auch wie der*die Richter*in und der*die Prozessgegner*in einzuschätzen sind. Ich habe Prozesse geführt, in denen war ich eher still. Ich habe aber auch Prozesse geführt, in denen ich eher poltrig war. Das ist situationsabhängig.

Welche Qualifikationen beziehungsweise Vorkenntnisse sollte ein*e Berufsanfänger*in im Bereich Litigation mitbringen? Was muss man können, um ein*e gute*r Litigator*in zu sein?

Am Anfang steht natürlich die Kenntnis des Prozessrechts. Das wird im Studium nicht hinreichend gelehrt, dort ist es stark auf das materielle Recht ausgerichtet. Um sich in die Prozessordnung einzuarbeiten, ist eigentlich das Referendariat vorgesehen, hier hängt aber vieles von den Ausbilder*innen ab. Um aber ein guter Litigator zu werden, benötigt man vor allem Erfahrung, das Gespür für die Situation und eine ordentliche Portion Menschenkenntnis.

Warum macht Ihnen gerade Litigation Spaß?

Litigation ist etwas, wo man unterschiedliche Situationen erlebt, auf die man flexibel reagieren muss. Wo man ein bisschen Menschenkenntnis braucht. Wo man „frisch im Kopf sein muss“. Hier kann sich von einem Moment ein ganzer Rechtsstreit drehen, wenn z. B. der Richter einen Aspekt einführt, den die Parteien bisher nicht thematisiert haben oder sich die gegnerische Seite um „Kopf und Kragen“ redet. Mir macht es auch Spaß, mit Worten zu kämpfen. Wenn man sich im positiven Sinn einfach die Argumente um die Ohren haut.

Haben Sie Lieblingsfälle?

So richtige Lieblingsfälle habe ich eigentlich nicht. Manche Fälle mögen spannender sein als andere, manche bedeutender, weil diese über den Einzelfall hinaus Bedeutung haben. Bei manchen ist die „Ungerechtigkeit“ größer, da ist man dann vielleicht nochmal etwas mehr motiviert. Aber schlussendlich will ich alle meine Verhandlungen gewinnen. Richtige Lieblingsfälle gibt es da eigentlich nicht.

Sind Sie oft beim BGH/Verfassungsgericht?

Beim BGH ist es natürlich sehr eingeschränkt, weil wir eigentlich nicht postulationsfähig sind. In normalen Zivilprozessen kann das nur der*die speziell zugelassene BGH-Anwalt*in machen. Ich war auch schon persönlich beim BGH, in Energiewirtschaftssachen ist das möglich. Ich würde lügen, wenn ich sage, vor meinem ersten Auftritt vor dem BGH nicht nervös gewesen zu sein.

Ist es nicht komisch, wenn jemand Ihren Fall vertritt?

Das ist halt so. Da begleiten wir das Verfahren Schritt für Schritt. Ich kriege den Entwurf für den Schriftsatz, den muss ich mir ansehen und kann da auch meine Argumente mit einbringen.

In der Regel sind die ganzen Rechtsargumente in dem Verfahren vorher schon einmal gefallen. Beim BGH wird ja dann wirklich nur noch die Rechtsfrage diskutiert, teilweise auch gar nicht mehr mit mündlicher Verhandlung. Und in besonderen Fällen, kann man den*die BGH-Anwalt*in auch in der mündlichen Verhandlung unterstützen.

Haben Sie schon einmal verloren? Wie ist Ihre Erfolgsquote?

Ich würde mal sagen, meine Erfolgsquote ist durchaus positiv. Aber natürlich habe ich auch schon einmal verloren. Ich führe allerdings keine Statistik.

Natürlich hängt das alles auch vom jeweiligen Fall ab. Schwer zu gewinnen sind zum Beispiel Verfahren, bei denen es um die Netzentgeltregulierung geht. Wenn man da dann trotzdem gewinnt, ist es natürlich umso schöner. Diese Verfahren bleiben dann auch immer in Erinnerung, z. B. als wir den BGH in der mündlichen Verhandlung überzeugt haben, den von der Bundesnetzagentur durchgeführten Effizienzvergleich in der Entgeltregulierung als rechtswidrig einzuordnen.

Wenn ich mir meine Wettbewerbsverfahren ansehe, hängt es am Ende des Tages regelmäßig davon ab, was der Zeuge gesehen oder nicht gesehen hat – und am Ende vor Gericht aussagt. Da kann man zwar mit guter Fragetechnik etwas beeinflussen, wer allerdings nichts gesehen hat, der hat auch nichts gesehen.

Ich glaube im Großen und Ganzen haben wir – oder auch ich – eine durchaus positive Quote.

Wovon hängt es ab, dass man einen Prozess gewinnt? Ist es Glückssache?

Glück würde ich jetzt nicht sagen. Es hängt ein bisschen von den Umständen ab – und manchmal kann man es ja auch steuern.

Nehmen wir mal einen Fall, der von einem Zeugen abhängt. Kürzlich war ich zum Beispiel vor Gericht und da ging es um die Frage, ob dem Zeugen gegenüber eine bestimmte Aussage getroffen worden ist. Wenn der Zeuge mir das vorher so mitteilt und er sich im Gerichtsverfahren nicht mehr daran erinnert, dann habe ich natürlich ein Problem. Dann ist das Verfahren in der Regel weg.

Vor Gericht passiert immer viel – auch viel Unerwartetes. Es gibt ja diesen Spruch: „Vor Gericht und auf hoher See sind wir allein in Gottes Hand“. Den hören Mandanten nicht gern, ein Fünkchen Wahrheit ist aber dabei. Es wird immer solche Sachen geben. Es kann auch mal einen Richter geben, der völlig „durchgeknallte“ Urteile beschließt. Da kann man dann machen, was man will – dann ist der Richter halt so. Letztens habe ich in einem einstweiligen Verfügungsverfahren in der ersten Instanz vor dem Landgericht verloren, die zweite Instanz verlief dann für mich erfolgreich. Die Gegenseite hat dann das Hauptsacheverfahren geführt. Ohne auch nur das OLG zu erwähnen, hat das Landgericht sein Urteil aus dem einstweiligen Verfügungsverfahren (fast wortgleich) noch einmal abgefasst. Warum, blieb unverständlich, das OLG hat das Urteil dann aber erneut aufgehoben und auch beim BGH haben wir dann final Recht bekommen.

Sind Eilverfahren besonders stressig? Und wenn ja, warum?

Ja, das ist so: Eilverfahren sind stressig – und zwar weil die Bearbeitung – wie der Name schon sagt – besonders eilig ist. Ich habe einfach nicht die Zeit, da drei Wochen über einen Schriftsatz nachzudenken, sondern das muss ruckzuck gehen. Das wirft teilweise auch meinen sonstigen Terminplan über den Haufen.

Entscheidend ist, wie ist meine Position in dem Verfahren: Bin ich derjenige, der angreift? Dann will ich natürlich möglichst schnell zur Entscheidung. Bin ich derjenige, der verteidigt? Dann will ich das möglichst nach hinten rausziehen. Mein Problem, gerade wenn ich angreifend bin: Ich habe keine Chance, die Verhandlung verlegen zu lassen, weil ich damit meine Eilbedürftigkeit verlieren könnte. Da muss man ziemlich viel jonglieren, auch mit anderen Sachen. Man hat ja nicht nur dieses eine Eilverfahren auf dem Tisch. Das Problem bei einem Eilverfahren ist auch, dass der*die gegnerische Anwalt*in eigentlich gar nicht vortragen muss. Das bedeutet, er kann mündlich alles vortragen und mündlich alles nochmal komplett ändern. Auch bezüglich des Sachverhalts. Dieser Umstand macht ein Eilverfahren im besonderen Maße spannend.

Welche Einschränkungen bringt der Beruf mit sich?

Grundsätzlich gibt es keine Einschränkungen. Das Einzige ist, dass ich zeitlich relativ an die Fristen gebunden bin. Ein Eilverfahren ist – wie schon gesagt – zeitlich sehr eng, aber auch im normalen Prozess habe ich Fristen, die ich einhalten muss. Das kann schon ein bisschen Stress machen. Das ist allerdings auch bei anderen Sachen so. Wenn man einen Vertrag erstellen soll, muss man den auch zu einem bestimmten Datum fertig machen.

Welchen Tipp würden Sie gerne jedem*r Nachwuchsjurist*in geben?

Also ich würde vor allen Dingen sagen: keine Scheu vor Prozessen. Ich kenne auch bei uns im Haus erfahrene Anwält*innen, die durchaus ungern bei Gericht sind. Für mich gehört das Prozessieren zum Anwaltsberuf untrennbar dazu und man sollte es als junge*r Kolleg*in einfach versuchen, auch gern mit einem*r erfahrenen Kolleg*in an der Seite.

Und für noch jüngere Jurist*innen, also gerade für die Referendar*innen, habe ich den Ratschlag, dass man sich auch immer Stationen suchen sollte, bei denen man die Gelegenheit hat, zu Gericht gehen zu können. Ich hatte als Referendar bei der Staatsanwaltschaft auch die Möglichkeit, jede Woche bei fünf oder sechs Terminen bei Gericht zu verhandeln, und auch in der Anwaltsstation hat man mich (kleinere) Verfahren führen lassen. Wer sich für das Prozessrecht interessiert, sollte bei seiner Stationswahl dies durchaus auch als ein Entscheidungskriterium nehmen.