Interview mit BBH-Partner Thies Hartmann

Dr. Thies Christian Hartmann ist seit fast 20 Jahren bei BBH und seit 2012 Partner. Er begleitet Mandanten bei komplexen energierechtlichen Streitverfahren bis vor den Bundesgerichtshof und den EuGH. Im Interview gibt er Einblicke in den Ablauf solcher Verfahren, die Zusammenarbeit innerhalb der BBH-Gruppe und erklärt, wie Nachwuchsjurist:innen erfolgreich in dieses Spezialgebiet starten können.
Sie sind seit 2005 bei BBH und seit 2012 Partner. Was schätzen Sie nach fast 20 Jahren Zugehörigkeit an BBH besonders?
2005 zu BBH gewechselt bin, hatten wir glaube ich vielleicht etwas mehr als … Mitarbeitende. Obwohl wir heute über … Sind, hat sich BBH irgendwie stets etwas sympathisch Familiäres erhalten. Vielleicht ist es die Teamstruktur, vielleicht sind es auch die Personen, die hier arbeiten.
Neben dem menschlichen Aspekt schätze ich bei BBH besonders das Zusammenarbeiten mit Expertinnen und Experten aus verschiedensten Bereichen. Von Anfang an habe ich es sehr genossen, bei technischen Fragen, die in energierechtlichen Mandaten dazugehören, auf das Fachwissen von Ingenieuren zurückgreifen zu können und bei wirtschaftlichen Fragen kaufmännischen Sachverstand im Hause zu haben.
Schließlich und vor allem freut es mich sehr, mit dem Energierecht in einem hochpolitischen, spannenden und in einem steten Wandel befindlichen Themengebiet unterwegs zu sein.
Dr. Hartmann, Sie begleiten energierechtliche Auseinandersetzungen bis vor den Bundesgerichtshof und den EuGH – was reizt Sie an dieser Arbeit am meisten?
Ich bin auch deshalb Anwalt geworden, weil ich es persönlich interessanter finde, Fälle zu gewinnen oder zu verlieren, statt sie zu entscheiden. Natürlich ist es reizvoll, bei BBH die Chance zu haben, für unsere Mandanten wirtschaftlich wichtige Grundsatzentscheidungen vor den höchsten Gerichten erstreiten zu können.
Warum haben Sie sich dazu entschieden, Ihre Spezialisierung im Energierecht bei BBH aufzubauen und weiterzuentwickeln?
Die erste Kanzlei, in der ich vor BBH angestellt war, war eine klassische Wirtschaftskanzlei, die Ihre Mandanten in allen Rechtsgebieten betreute. Als sich dort 2003 begann, wurde das Energierecht immer wichtiger. Die Mandanten aus der Wirtschaft mussten sich mit Fragen des beginnenden Emissionshandels, der Förderung ihrer Industriekraftwerke nach dem relativen neuen Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz oder mit den Chancen einer freien Lieferantenwahl im Rahmen der neuen Liberalisierung der Energiemärkte befassen. Da sich keiner der gestandenen Anwältinnen und Anwälte im Energierecht auskannte, landete es bei „dem Neuen“. Und einmal dabei, merkte ich schnell, wie viel Spaß es macht, in einem jungen Rechtsgebiet bei zahlreichen Fragestellungen der erste zu sein, der sich damit beschäftigen muss.
Wie läuft ein typisches Verfahren im Energierecht ab, z.B. bei Streitigkeiten mit der BNetzA?
Verfahren im Energierecht beginnen typischerweise auf zwei Arten:
Die Bundesnetzagentur trifft viele Entscheidungen zum regulatorischen Rahmen für Netzbetreiber und Netznutzer als Allgemeinverfügung im Wege der sogenannten Festlegung. Hier begleiten wir betroffene Unternehmen in der Regel bereits im Verwaltungsverfahren. Gelingt es im Rahmen des Verwaltungsverfahrens nicht, für unsere Mandanten kritische Punkte einer Festlegung zu verhindern oder zumindest zu entschärfen oder für sie wichtige Punkte hineinzuverhandeln, ist der nächste Schritt der Weg vor die Gerichte. In energierechtlichen Streitigkeiten beginnt dies direkt auf der Ebene des zuständigen Oberlandesgerichtes, um dann möglicherweise vor dem Bundesgerichtshof letztinstanzlich entschieden zu werden.
Daneben gibt es in der Praxis oft Diskussionen um die Auslegung des gesetzlichen oder regulierungsbehördlichen Rahmens für Netzanschluss und Netzzugang zwischen verschiedenen Beteiligten wie Stromlieferanten und Netzbetreiber, Netzbetreiber und Letztverbraucher oder auch zwischen Netzbetreibern untereinander. Gelingt es uns hier nicht, außerbehördlich und außergerichtlich für beide Parteien sachgerechte Lösungen zu finden, steht der Weg des energierechtlichen Missbrauchsverfahrens zur Verfügung. Dieser endet mit einer Entscheidung der Bundesnetzagentur, die dann ebenfalls vor OLG und gegebenenfalls BGH gerichtlich überprüft werden kann. Zu betonen bleibt an dieser Stelle, dass es erfreulicherweise in der Mehrzahl der Fälle gelingt, auch ohne Einschaltung von Regulierungsbehörden und Gerichten Kompromisse zu finden, mit denen alle Beteiligten gut leben kann.
Wie bereitet man sich juristisch und taktisch auf Verfahren vor und gibt es Tricks, um vor Gericht ruhig zu bleiben?
Da es bei den von mir betreuten Verfahren typischerweise um hohe Streitwerte geht, ist dem Mandanten eine gründliche Vorbereitung wichtig. Das hilft sehr: Das einfachste Mittel gegen Nervosität ist die Sicherheit, bestmöglich vorbereitet zu sein. Bei Schriftsätzen und auch im Plädoyer und Rechtsgespräch vor den Gerichten versuche ich stets, mich in Gegner und Gericht hineinzuversetzen, um so mögliche Gegenargumente bereits im Vorfeld abzuräumen oder zumindest auch auf Unwägbarkeiten eines schriftlichen Verfahrens oder mündlichen Termins vorbereitet zu sein. Ganz gelingt dies nie. Dann hilft entweder die jahrelange Erfahrung oder aber der oder die Kollegin neben einem. Es kommt nie vor, dass ich wichtige Verfahren allein führe.
Worin liegen die Unterschiede in der Argumentation vor deutschen Gerichten im Vergleich zu europäischen Gerichten?
Die meiste Erfahrung habe ich vor deutschen Gerichten gesammelt. Hier mit der Besonderheit, dass die von mir begleiteten Verfahren nur sehr selten vor klassischen Zivilgerichten landen. Wenn ich wirklich einmal vor Landgerichten oder sogar Amtsgerichten aufgetreten bin, wobei man dies fast an einer Hand abzählen kann, war ich teils ein wenig in Sorge, gar nicht in der Sache argumentieren zu können, sondern mich mit zivilprozessualen Tricks der Gegenseite auseinandersetzen zu müssen. Typischerweise aber werden die von mir begleiteten Verfahren von Spezialsenaten beim Oberlandesgericht oder Bundesgerichtshof entschieden. Auch wenn mir manche Entscheidungen nicht gefallen haben und auch manche gerichtliche Argumentation mich nicht überzeugte, ist meine Erfahrung hier alles in allem doch sehr positiv. Man hatte fast immer das Gefühl, dass es den Richterinnen und Richtern um die richtige Entscheidung in der Sache geht. Insbesondere bei einem Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf beeindruckt die Vorsitzende Richterin damit, wie tief sie gewillt ist, in energiewirtschaftliche und -technische Hintergründe der zu entscheidenden Rechtsfragen einzusteigen.
Meine Erfahrungen vor den europäischen Gerichten waren dagegen bislang etwas andere. Hier tritt neben die Aufgabe, das Gericht in der Sache zu überzeugen, die weitere Aufgabe, vorher alle prozessualen Hürden zu meistern und Fallstricke zu meiden. Spannend ist beides.
Wie schaffen Sie einen Ausgleich zu Ihrem Job und wann ist das manchmal besonders nötig?
Ich hatte zum Glück in meiner Karriere nie Probleme, neben der Arbeit abzuschalten. Zu Beginn waren es Freunde, jetzt ist es meine Familie, die mich stets und schnell auf andere Gedanken bringt. Sobald ich mit meinem 5-jährigen Sohn auf den Fußballplatz stehe, gerät auch einmal verlorenes Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof oder eine problematische Vertragsverhandlung direkt in Vergessenheit. Zumindest bis zum nächsten Morgen oder Montag.
Ist es notwendig, schon im Studium energierechtliche Schwerpunkte zu setzen, oder kann man diesen Weg auch „on the job“ gehen?
Hier kann ich auf meine oben geschilderten ersten Berührungspunkte mit dem Energierecht verweisen. Für mich zumindest war es kein Problem, dass ich mich mit diesen Fragestellungen das erste Mal als Anwalt und nicht bereits vorher im Rahmen meiner Ausbildung befasst habe. Und in der Sache gilt: Des Energierecht entwickelt sich so schnell, dass Erkenntnisse aus der Ausbildung oftmals dann, wenn man in diesem Gebiet beruflich startet, schon wieder in Teilen überholt sind. Zudem ist auch das Energierecht kein Hexenwerk, sondern mit einem gesunden juristischen Grundverständnis schnell zu durchdringen.
Aber natürlich ist es hilfreich, wenn man bereits im Rahmen der Ausbildung entdeckt hat, wie spannend dieser Rechtsbereich ist.
Herzlichen Dank für das Gespräch!